Neulich im Jahr 2000: Rendezvous at the New Millennium Acropolis [Short story]

Neulich im Jahr 2000: Rendezvous at the New Millennium Acropolis [Short story]

Mega Structure by Syd Mead

   Tuut tuuuuut – tuut tuuuuut – tuut tuuuuut.

   »Ja?«
   »Mister Robinson?«
   »Wer spricht da?«
   »Ich bin’s, Wilson.«
   »Woher haben Sie diese Nummer?«
   »Ich bin Privatdetektiv, schon vergessen? Sie haben mich selbst engagiert.«
   »Was soll der Quatsch? Warum rufen Sie mitten in der Nacht bei mir an?«
   »Ich habe sie gefunden!«
   »Wen?«
   »Ihre Frau.«
   »Barbara?«
   »Ja, in San Francisco. Und sie ist nicht allein: Zirka fünfundreißig Jahre, einsachtzig groß, mittelblonde Haare, gutaussehend. Extrem gutaussehend.«
   »– – – «
   »Hallo?«
   »Ja, ich bin noch dran.«
   »Also, ich würde jetzt ein paar Fotos schießen. Vielleicht gelingt mir auch ein kleines Filmchen. Ich will aber nicht zu nah ran. Wenn meine Tarnung auffliegt–«
   »Tun sie es! Machen Sie die Bilder. Und schön sauber, damit man den Bastard auch wiedererkennt.«
   »Eye Sir.«
   »Den Film können sie sich sparen. Der bringt uns vor Gericht gar nichts.«
   »Zu Befehl Sir.«
   »–Äh, Wilson?«
   »Mister Robinson?«
   »– – – Wie sieht sie aus?«
   »Sie sieht wunderschön aus, Sir. Sie trägt ein weißes Kleid und wirkt wie die Unschuld selbst. Kann man nicht anders sagen. Wie eine Frau in den Flitterwochen.«
   »Ha, ja, wie in den Flitterwochen. Haha!«
   »Mister Robinson?«
   »Was ist denn?!«
   »Ich will mich ja nicht in Ihre Angelegenheiten mischen. Aber als Privatdetektiv bekommt man ja so einiges mit.«
   »Worauf wollen Sie hinaus?«
   »Warum lassen Sie die Turteltäubchen nicht einfach eine Zeit lang fliegen? Eine Mondreise buchen, einen Ritt auf Delphinen vollführen, mit allem was dazu gehört. Glauben Sie mir: Irgendwann geht dem Kerl die Luft aus. Und dann wird Ihr Täubchen brav wieder in seinen goldenen Käfig zurückkehren.

Und wenn Sie’s dann nicht verkacken, werden Sie bald nicht mal mehr wissen, dass Ihre Frau überhaupt weg war.«
   »Und die Kinder?«
   »Mein Gott, gibt’s in diesem verdammten England keine Gouvernanten mehr?«
   »Natürlich gibt es die.«
   »Na also. Aber Vorsicht: Nicht dass Sie mit der was anfangen. Das würde Ihnen Ihre Frau niemals verzeihen.«
   »Sie machen wohl Witze.«
   »Keineswegs. Wenn eine Frau ihren Mann betrügt ist es nicht dasselbe, wie wenn ein Mann dies gegenüber seiner Frau tut.«
   »Interessante Theorie.«
   »Wenn eine Frau entdeckt, dass ihr Mann eine echte Affäre hat, dann ist ihr klar, dass er sie los werden will, aber nicht weiß, wie er es ihr sagen soll. Männer können nicht sagen: ‚Du, Schatz, ich liebe dich nicht mehr. Darum werde ich dich verlassen, aber wir können ja Freunde bleiben.‘ So etwas tut ein Mann nicht. Und die Frau weiß das. Glauben Sie nicht auch?«
   »Da bin ich mir nicht sicher.«
   »Wenn aber eine Frau heimlich ihren Mann hintergeht, dann tut sie es, weil sie ihn eben nicht verlassen will. Entweder wegen der Kinder, oder weil er reich ist, oder weil er nett ist, oder weil sie ihn trotz allem immer noch liebt. Das ist egal. Denn wenn sie ihn wirklich verlassen wollte, dann würde sie es auch tun. Sie würde ihm einfach ins Gesicht sagen: ‚Ciao Baby. Es war schön mit dir. Aber jetzt beginnt eine neue Zeitrechnung für mich. Und du bist Geschichte.‘ Also sinngemäß. Für einen echten Mann ein Ding der Unmöglichkeit. Für eine Frau die leichteste Übung.«
   »Sie sind wohl ein Frauenversteher, was?«
   »Sagt mein Chef auch immer.«
   »Sagt er Ihnen auch, dass Sie Ihre Arbeit machen sollen?«
   »Sie setzen sich gleich hin. Wenn ich noch Fotos machen soll, dann muss es jetzt sein.«
   »Warten Sie – – –«
   »Hallo?«
   »Ich sagte: Warten Sie!– – –«
   »Es ist jetzt der letzte Moment.«
   »Fliegen Sie nach Hause und schicken Sie mir die Rechnung.«
   »Ganz wie Sie meinen, Mister Robinson.«
   »Guten Abend.«
   Klick.▩

Bild: © Syd Mead | Text: © Christoph von Zastrow

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