Neulich im Jahr 2000: Motorola Stories – New Home In Aquaville [Short story]

Neulich im Jahr 2000: Motorola Stories – New Home In Aquaville [Short story]

1961-63 Motorola - Underwater TV

   »Oh, schau mal, huhu, Kevin. Kevin! Hier sind wir!«

   »Er kann dich nicht hören.«
   »Aber er sieht uns doch. Da, er winkt uns! Halloho! – Jetzt wink doch auch mal.«
   »Hallo Kevin.«
   »Er ruft irgendwas. Kannst du die Lippen lesen?«
   »Nein.«
   »Versuch’s doch wenigstens.«
   »Ich würde jetzt gerne wieder mein Footballspiel ansehen.«
   »Aber Liebling, was ist denn los mit dir?«
   »Nichts. Es war nur eben ein bisschen zu laut für mich.«
   »Entschuldigung. Ich vergaß, dass deine neuen Gehörimplantate noch nicht richtig eingestellt sind.«
   »Schon gut. Ich habe am Dreitag einen neuen Termin mit Dr. Goldstein.«
   »Ah, dann nimm doch bitte unbedingt die Seegrastorte für Rose mit. Sie wohnt direkt um die Ecke.«
   »Muss das sein?«
   »Ja. Ich habe ihr das schon für letzten Fünftag versprochen.«
   »Eine Torte? Meinst du sie freut sich darüber?«
   »Jetzt erst recht, sage ich. Egal was passiert ist. Außerdem habe ich Rose das Nautilus-Institut empfohlen.«
   »So? Ich hätte nicht gedacht, dass die sich das noch einmal antun wollen.«
   »Doch. Und ich bin mir sicher, dass sie diesmal Glück haben werden. So wie wir.«
   »Rose und Glück schließen sich aus. Sie ist und bleibt einfach die geborene Katastrophen-Lady.«
   »Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit dir los ist. Alles und jeden kritisierst du.«
   »Nicht alles.«
   »Aber jeden, der nicht genau so lebt, wie es dir passt. Bist du denn niemals zufrieden? Wir haben endlich genug Geld, dieses wunderbare Haus, und Kevin …«
   »Darum geht es ja.«
   »Was meinst du damit?«
   »Dass du den Jungen verziehst.«
   »Ich?«
   »Ja du. Den ganzen Tag plantscht er nur im Wasser herum, ballert mit der Harpune durch

die Gegend oder stellt irgend welchen Unfug mit seinen Freunden an. Ich finde, er könnte ruhig mal–«
   »Aber Ron. Kevin ist 9 Jahre alt!«
   »Eben, Zeit, das Kind einmal an die ernsten Seiten des Lebens zu gewöhnen.«
   »Wie du das so sagst: „Das Kind“, so als wäre er kein Mensch sondern eine Sache.«
   »Nein, keine Sache, aber ein Hybrid. Darum muss er sich doppelt anstrengen, schließlich–«
   »Ron? Ich wünsche nicht, dass du so über Kevin sprichst. Er ist ein ganz normaler Junge. Verstehst du? Die Art, wie er entstanden ist, tut dabei nichts zur Sache.«
   »Entschuldige March, ich wollte dich nicht kränken.«
   »Keine Sorge, ich kann es vertragen. Aber stell dir vor, Kevin würde mitbekommen–«
   »Ich habe doch schon gesagt, dass er uns nicht hören kann.«
   »Ron: Ich möchte einfach, dass Kevin aufwächst, wie ein ganz normaler Junge.«
   »Das tut er ja. Ich glaube halt nur, dass– … Wir sollten einfach an seine Zukunft denken.«
   »“Die Zukunft der Menschheit liegt im Meer.“ Das hast du doch damals selbst gesagt.«
   »Ja, weil es im Prospekt der Meerbaugesellschaft stand. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Was soll denn hier in Aquaville einmal aus Kevin werden?«
   »Er könnte die Sea-Ranger-Universität besuchen.«
   »Um dann was zu tun? Trächtige Delphinweibchen im Gebrauch menschlicher Verkehrsampeln zu unterweisen? Nein March, wir sollten Kevin nächstes Jahr nach Belton auf die St. Patrick High School schicken.«
   »Kevin an Land ins Internat? Nur über meine Leiche!«
   – – –
   »Mom? Dad?«
   »Kevin! Bist du schon raus aus dem Wasser?«
   »Worüber streitet ihr euch?«
   »Gar nichts. Los, trockne dich ab, s’gibt gleich Essen. Und vergiss nicht, deine Schwimmhäute einzuschmieren. Die Entzündung ist fast schon weg.«▩

Bild: © Charles Schridde | Text: © Christoph von Zastrow

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